Gähnen

Gähnen steckt an. Bei Müdigkeit, Langeweile und Stress, ob von morgens bis abends, wird gegähnt. Warum ist unklar, Gähnforscher suchen nach Sinn und Zweck.

Gähnen – das rätselhafte Gebaren

Gähnen ist ein rätselhaftes Phänomen, das bei Mensch und Tier auftritt. Es ist weit verbreitet und hochansteckend. Langeweile, Müdigkeit, Stress, ein gähnender Mitmensch gehören zu den möglichen Auslösern eines Gähnvorganges. Gegähnt wir morgens, abends, mittags, in der Oper, im Gespräch und in vielen anderen Situationen.

Warum? Darüber sinnieren Gelehrte seit Jahrhunderte, trotzdem existieren bisher nur Theorien.

Gähnst du jetzt gerade, während du diese Zeilen liest? Dann reagierst du typisch menschlich. Schon das Lesen und Hören des Wortes oder des Gähngeräusches, selbst der Gedanke ans Gähnen löst den Mechanismus oft aus. Du kannst es kaum unterdrücken, nur hinter vorgehaltener Hand verstecken. Der Mund öffnet sich unwillkürlich, und soweit es das Kiefergelenk erlaubt. Dabei strecken sich die Gesichtsmuskeln bis zum Anschlag und die Dehnung setzt sich in den Nackenmuskeln fort, ergreift manchmal den gesamten Körper. Tränen kullern, es knackt in den Ohren und der Kopf neigt sich seitlich oder nach hinten. Das alles geschieht auch, wenn du diskret mit angestrengt zusammengepressten Lippen gähnen willst. Zugegeben, nicht jeder Gähnvorgang verläuft so intensiv, manchmal bleibt es bei einem tiefen Atemzug mit weit geöffnetem Mund. Genüssliches Gähnen hinterlässt oft ein wohliges Gefühl und erleichtert.

Übrigens: Die lang gehegte These „Sauerstoffmangel im Gehirn löse den Gähnimpuls aus“ ist widerlegt. In dieser Notsituation würde ein einziger tiefer Atemzug kaum helfen. Wer eine steile Treppe hinauf hastet, gähnt ja auch nicht nach Sauerstoff, sondern japst nach Luft.

Insgesamt ist das Gähnen ein kompliziertes Verhalten, dass sich während der langen Evolution erhalten hat. Also wird des wohl eine wichtige Funktion haben, nur welche? Damit beschäftigt sich die Chasmologie, die noch junge Wissenschaft der Gähnforschung. Das Geheimnis ist noch nicht gelüftet, aber die Forscher haben spannende Fakten und Informationen zusammengetragen und interessante Theorien aufgestellt.

Zum Beispiel:
• Ein Gähnprozess dauert etwa fünf bis zehn Sekunden.
• Der Mensch gähnt etwa zehnmal pro Tag.
• Das Gähnen beginnt lange vor der Geburt. Schon 50 Gramm leichte Föten wurden beim Gähnen im Mutterleib beobachtet und zwar etwa ab der 12. Schwangerschaftswoche.
• Personen mit Schizophrenie, Autisten und Kinder unter fünf Jahren lassen sich vom Gähnen anderer nicht anstecken.
• Ein indischer Arzt berichtete von einem Schlaganfallpatienten, dessen gelähmte Körperpartie beim Gähnen mit zuckte.
• Gähnen ist international, kommt in allen Kulturen vor und wird überall erkannt.
• Selbst Hunde lassen sich vom Gähnen des Herrchens anstecken.

Offenbar hat das Gähnen eine körperliche und eine soziale, empathische Seite.

Es wird vom Stammhirn aus gesteuert, also wird es tief im menschlichen Wesen verankert sein. Während des ansteckenden Gähnvorgang sind auch Spiegelneuronen im Gehirn aktiv, das haben Hirnforscher herausgefunden. Du hast sicher schon einmal erlebt, wie ansteckend so ein Gähnimpuls sein kann. Einer fängt an und die Gähnerei macht die Runde. Besonders intensiv reagieren Personen, die sich emotional nahe stehen wie Familienmitglieder, während Fremde und Unbeteiligte oft immun bleiben. Eventuell dient das seltsame Gebaren ja der Synchronisation von Gruppen, um das Zusammengehörigkeitsgefühl zu fördern.

Durch den biologischen Gähn-Mechanismus könnte außerdem die Aufmerksamkeit geweckt oder verbessert werden.

Deshalb findet es so oft in langweiligen oder stressigen Situationen statt. So wurden zum Beispiel Fallschirmspringer kurz vor dem Absprung beim Gähnen beobachtet, genau wie Künstler kurz vor dem Gang auf die Bühne und gähnende Zuschauer sind ja auch nicht selten. Allerdings konnten die Gähnforscher keine erhöhte Hirnaktivität nach dem Gähnen feststellen.

Ob Gähnen das Gehirn kühlt, wie einige amerikanische Psychologen annehmen? In Fachkreisen wird diese Erklärung bezweifelt. Bei Messungen blieb die Hirntemperatur konstant, egal ob gegähnt wurde oder nicht.
Nach mehren Jahrzehnten Gähnforschung bleiben noch immer Rätsel.
Vielleicht beobachtest du jetzt die Gähner um dich herum mit emotionalerem Blick. Denn wer zusammen gähnt mag sich!?

Ein Zusammenhang zwischen Müdigkeit und Gähnen lässt sich kaum bestreiten. Manchmal gähnst du tatsächlich, weil du müde bist. Dann solltest du dir den Schlaf gönnen. Am Morgen bringt dich ein ausgiebiges Gähnen mit strecken und dehnen wieder auf Touren.

Quellen
https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-71123470.html
https://www.apotheken-umschau.de/Psyche/Warum-gaehnen-wir-eigentlich-436917.html
https://www.faz.net/aktuell/wissen/leben-gene/gaehnen-nicht-schoen-aber-empathisch-1998176.html?printPagedArticle=true#pageIndex_3

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